Bundesgerichtshof: gerichtliche Anordnung des Wechselmodells gegen den Willen eines Elternteils möglich

Geschrieben am 20.04.2017

Von einem Wechselmodell spricht man, wenn eine gleichmäßige Betreuung des Kindes/ der Kinder durch beide Eltern stattfindet. Das Kind pendelt also zwischen zwei Haushalten und hat zwei Lebensmittelpunkte.

Bislang konnte ein paritätisches Wechselmodell gerichtlich angeordnet werden, wenn beide Eltern damit einverstanden waren und ihre Zustimmung erteilt haben. Nunmehr lässt der BGH ein gerichtlich angeordnetes Wechselmodell grundsätzlich auch gegen den Willen eines Elternteils zu. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass das Wechselmodel dem Kindeswohl am besten dient und dies im konkreten Einzelfall umfassend geprüft wurde.

Bei der Prüfung des Kindeswohls sind die Bindungen und Beziehungen des Kindes zu beiden Elternteilen, die Kontinuität und Förderung und nicht zuletzt der Kindeswille zu berücksichtigen. Insbesondere sind die bereits bestehende Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern zu prüfen, ohne die ein Wechselmodell nicht durchführbar ist. Die Nähe der Elternhaushalte und die Erreichbarkeit von Schule und Betreuungseinrichtungen stellen eine weitere Voraussetzung dar. Bei erheblich konfliktbelasteter Elternbeziehung ist ein Wechselmodell nicht geeignet.

Quelle: BGH, Beschluss vom 01.02.2017, XII ZB 601/15



Gemeinsames Sorgerecht: Keine Alleinentscheidungsbefugnis eines Elternteils für Urlaub in Türkei

Geschrieben am 08.08.2016

Derjenige Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, hat die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens (Alleinentscheidungsbefugnis). Darunter fallen in der Regel auch Urlaubsreisen, weshalb es einer Zustimmung des anderen Elternteils zu Urlaubsreisen grundsätzlich nicht bedarf.

Sofern sich die Eltern aber in einer einzelnen Angelegenheit, die von erheblicher Bedeutung für das Kind ist, nicht einigen können, überträgt das Familiengericht einem Elternteil die Alleinentscheidungsbefugnis.

Das OLG Frankfurt hat in einem Beschluss vom 21.07.2016 ausgeführt, dass ein Türkeiurlaub in Anbetracht der aktuellen Verhältnisse und der Terrordrohungen in Touristenregionen besondere Gefahren mit sich bringt und deshalb nicht mehr unter die Alleinentscheidungsbefugnis eines Elternteils fällt. Sofern der andere Elternteil unter diesen Voraussetzungen einer Reise nicht zustimmt, hat das Familiengericht zu entscheiden und dem Elternteil, der die Reise antreten möchte, die Alleinentscheidungsbefugnis zu übertragen.

Das OLG Frankfurt hat die möglichen nachteiligen Folgen bei Durchführung der Reise für das Kindeswohl als gravierend eingestuft und ließ erkennen, dass es die Alleinentscheidungsbefugnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht auf die reisewillige Mutter des Kindes übertragen wird.

Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.07.2016, 5 UF 206/16



Wechselmodell: Beide Elternteile haften für Kindesunterhalt

Geschrieben am 01.03.2016, 18.06 Uhr

Wenn räumlich getrennt lebende Eltern die Betreuung ihrer Kinder im Wechsel übernehmen und bei keinem Elternteil der Schwerpunkt der zeitlichen Betreuung und der tatsächlichen Förderung und Fürsorge liegt, spricht man von dem sogenannten Wechselmodell.

Die Betreuungszeiten stellen jedoch nicht das einzige Kriterium für ein Wechselmodell dar. Das gewollte Zusammenwirken der Eltern muss sich auch darin wiederspiegeln, dass kein Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind trägt. Liegt die Hauptverantwortlichkeit bei einem Elternteil, kann von einem Wechselmodell nicht ausgegangen werden.

Nun gehen Eltern, die ein Wechselmodell durchführen, oftmals davon aus, dass ein Barunterhalt für das Kind dann nicht mehr zu leisten ist. Dies ist jedoch unzutreffend, denn die gleichmäßige Kinderbetreuung führt nicht zu einer Befreiung von der Unterhaltspflicht.

Der Kindesunterhalt wird vielmehr aus den zusammengerechneten Einkünften der Eltern anhand der Düsseldorfer Tabelle festgestellt. Dieser Betrag stellt den Bedarf des Kindes dar. In einem zweiten Schritt errechnet man die quotenmäßige Haftung der beiden Elternteile entsprechend deren Einkommensverhältnissen.

Quelle: BGH-Beschluss vom 05.11.2014, AZ: XII ZB 599/13



Unterhaltsbedarf des unterhaltsberechtigten Elternteils (Elternunterhalt!)

Geschrieben am 05.02.2016, 17.44 Uhr

Grundsätzlich bestimmt sich der angemessene Unterhaltsbedarf eines Elternteils nach dessen Einkommens- und Vermögensverhältnissen.

Ob der Elternteil früher eine bessere Lebensstellung hatte oder das Kind in gehobenen Verhältnissen lebt, spielt keine Rolle.

Sofern beispielsweise der betreffende Elternteil zum Zeitpunkt der Heimunterbringung Sozialhilfeempfänger war, ist dieser Lebensstandard maßgebend. Der angemessene Bedarf reduziert sich auf das Existenzminimum. Der Unterhaltsbedarf, der in der Regel die Heim- und Pflegekosten sowie ein Taschengeld für alltägliche Bedürfnisse abdecken soll, orientiert sich an einem einfachen und kostengünstigen Pflegeheim. Dabei muss jedoch in jedem Falle geprüft werden, ob dem betreffenden Elternteil das einfache und kostengünstige Pflegeheim zumutbar ist.

Quelle: BGH-Urteil vom 07.10.2015, AZ: XII ZB 26/15